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Autor, Bezahlverlag, Buchveröffentlichung, Carsten Holm, Kevin-Lukas, Rico Beutlich, Roman, Roman schreiben, Schriftsteller, Spiegel, Verlag, Verlag finden, Zuschussverlag
Schwachsinn hat auch gute Seiten: Er entlarvt die Praktiken der Zuschussverlage. Dass die mit blumigen Versprechen Autoren locken, ist kein Geheimnis. Auch nicht, dass kräftig zahlen muss, wer sich dort gedruckt sehen möchte. 30.000 Euro und mehr darf man schon mal hinblättern. Und dann? Vermarktung durch den Verlag? Fehlanzeige. Denn der hat ja, was er wollte: sein Geld. Der seriöse Honorar-Usus wird einfach umgedreht. Doch weil manch Verseschmied halt einfach selig ist, wenn seine Name auf einem Buchdeckel prangt, funktioniert das Konzept. Da spielt es auch keine Rolle, wenn nichts als Nonsens im Manuskript steht. Was natürlich keiner zugab. Bis heute.
Jetzt nämlich gibt es Kevin-Lukas. Der hört Stimmen aus dem All, sieht vor dem Fenster große Tropfen, kleine Tropfen und dazu sehr viele mittelgroße Tropfen, isst sein Aufschnitt ebend ohne Butter auf das Brötchen, ist auch sonst sehr einfach gestrickt – und der Protagonist von Rico Beutlichs Erstlingsroman. Der Hobby-Autor hat gleich mehrere Verlage gefunden. Zuschussverlage. „Sehr angetan“ waren die von Beutlichs Werk, das 842 Seiten stark sein soll. Lobten „die Eindringlichkeit der Darstellung und Sprachgestaltung“.
Das Dumme an der Sache ist nur: Rico Beutlich, angeblicher Krankenpfleger aus Dresden, existiert nicht. Ebensowenig gibt’s die letzten 833 Seiten des Buchs. Die sind zusammengestückelt aus frei zugänglichen Textpassagen Baudelaires, Strindbergs und Bertha Suttners. Die ersten neun Roman-Seiten haben drei Aktivisten der „42er Autoren“ verfasst, mit viel Sorgfalt und verdammt schlecht – um damit die Zuschussverlage zu entlarven. Den peinlichen Blick hinter die Kulissen beschreibt Carsten Holm im Spiegel. Klasse Aktion!
Und wer Rico Beutlichs Mini-Lesung nicht verpassen will – bitte sehr:
Ich könnte ja wetten, dass aus Kevin-Lukas schon bald ein echter Schmöker wird. Medien-Satire, Dada-Roman oder SciFi-Comic. Und um den reißen sich dann die großen Publikumsverlage 😉
skriptum sagte:
Erste Sahne, das Video! Und zwar ganz ohne Plocken! *gg
30.000 Euro? Dabei kann es sich ja eigentlich nur um diese hessische Verlagsgruppe handeln. Die hatte ich auch mal an den Hacken. Unglaublich, was sich da getan hat: Die boten mir an, meinen „Kriminalroman“ http://skriptum.wordpress.com/bisher-veroffentlichte-bucher/%e2%80%ba-ausergewohnlich-alltagliches/ (es handelt sich um Kurzgeschichten; nur die erste Geschichte „Die Rache“ geht in die Richtung) für Euros im fünfstelligen Bereich (den genauen Betrag weiß ich nicht mehr) natürlich gern zu veröffentlichen und verwiesen auf die Wirksamkeit von Fernsehwerbung, die sie selbstverständlich machen (für wen/was/welche Bücher gaben sie jedoch nicht an) etc. etc. etc. Als ich den Marketing-Chef telefonisch fragte, wie sich denn der geforderte Betrag zusammen setzt, antwortete er sinngemäß, dass man ja bei einem Auto auch nicht genau wüsste, wie jeder Cent berechnet wird und bei Büchern sei es genauso.
Bis ich die wieder los war, vergingen Monate. Ständig quillte mein Briefkasten über, weil sie weitere „Angebote“ schickten. Mein Telefon klingelte heiß, weil wieder irgendein Stokel von denen anrief. Irgendwann schrieb ich sie per Einschreiben an und forderte sie unter Strafandrohung auf, jedwede weitere Kontaktaufnahme zu unterlassen. Darauf kam noch ein Anruf, ob ich nicht doch … Nachdem ich dann doch mal tendenziell ausgerastet bin war endlich Ruhe.
Wenn diese Verlagsgruppe hinter irgendeinem Anbieter steckt, gibt es nur eines: Finger weg! Am besten gar nicht erst zu erkennen geben, dass man existent ist ;o)
ladyschaft sagte:
Puh, liebe Tina, das hört sich ja ganz schön nervig an. Dass Zuschussverlage die schwarzen Schafe des Buchmarkts sind, klar. Aber so penetrant … Ganz schön unverschämt. Gut, dass Du die deutlich in den Wind geschossen hast. Man sollte übrigens von ALLEN Zuschussverlagen die Finger lassen 😉
Ist Dein „Außergewöhnlich Alltägliches“ ein BoD-Buch? Das ist ja immer eine sehr gute Möglichkeit, Eigenes zu veröffentlichen. Und seriös obendrein.
Liebe Grüße nach Hannover von
Petra – die mit dem Roman-Überarbeiten in den letzten Zügen liegt und parallel am Exposé für den nächsten arbeitet
Gertrud sagte:
Da warst du aber schnell mit dem Buch oder? Wo kann man den den lesen und was war nochmal dein Verlag? Ich weiss ich sollte es wissen….. sorry.
ladyschaft sagte:
Ja. Nein. Doch 🙂 Ich bin bei Droemer Knaur unter Vertrag. Buch erscheint im Herbst 2010, so wie geplant. Jetzt kommen erst einmal Verlagslektorat, Setzen, Druckfahnen etc. pp. Cover poste ich bald hier – dann, wenn auch der Verlag es auf der Website hat. Ist klasse geworden, finde ich.
Sabine sagte:
Ja, es gibt kaum etwas, mit dem sich trefflicher Geld machen lässt als mit den innigen Träumen von Menschen.
😐
Ein Buch bei Droemer Knaur? Wow!
Ich wünsch dir viel Erfolg damit!
Liebe Grüße
Sabine
ladyschaft sagte:
Danke Dir, Sabine!
Ja, die Träume. Ob Buch veröffentlichen, schlank sein, Potenz beweisen … Die Hoffnung, das kaufen zu können, ist groß und pusht die Märkte. Aber wir kaufen lieber Fellnasen-Futter statt Pillen, gell!?
Sabine sagte:
Oh jaaa 🙂 und ab und zu scwingen wir unsere Zwiebelpopos auf heiße Öfen brrummm … brrrrrrrrruuuuummm … wruuuuuuuuuuuuuummmmmmmm
Albtal – ja, da kann man bestimmt gut Kurven zirkeln 🙂
ladyschaft sagte:
Ja, und wie 🙂 Und dann die Schwarzwaldhochstraße entlang brausen. Super! Bin allerdings nur Sozia. Aber trotzdem sehr brrrrrrrrrrrrrummmmmm … Grüß‘ Ahrtal, Yoyo und Hibuki!
Sabine sagte:
Wie … hast du etwa keinen Motorradführerschein?
I (au) net
Es macht aber trotzdem höllisch viel Spaß, nicht wahr?
ladyschaft sagte:
😀 Ha, ertappt – mit roten Miezenpfoten, Du Auch-Sozia!
Sabine sagte:
Yeah!
und
„rock the road“ wie unser Sohnemann so schön gesagt hat, als wir ihm und seiner Schwester eröffneten, dass wir aufs Bike wollen 🙂
skriptum sagte:
Ne, Petra, „Außergewöhnlich Alltägliches“ ist in einem Verlag erschienen. Allerdings stellte sich nach den ersten Schwierigkeiten heraus, dass der „Herr Verleger“ eigentlich Gebrauchtwagenhändler ist und den „Verlag“ nur billig geschossen hat. So war dann auch seine Arbeitsweise: Hauptsache raus, egal wie. Als ich massive Fehler in der Cover-Gestaltung bemängelte, meinte er, er hätte es doch nicht zu vertreten, dass ich so ein gutes Auge habe und fehlerfreie Bücher gäbe es ja sowieso nicht. Danach hatte ich endgültig keine weiteren Fragen mehr. Weder Lektorat noch Korrektorat waren von ihm akzeptabel ausgeführt worden. Als er von mir den Buchblock noch gesondert abgezeichnet haben wollte, wurde ich stutzig und bat meine Mutter, das Buch vorher nochmal zu lesen. An einem Wochenende hat sie sich da durch geschossen und noch 17 Vertipper gefunden. Während eines ordentlichen Lektorats hätte das m. E. der „Verlag“ entdecken und korrigieren müssen. Man selbst sieht ja seine (Ver)Tipp-Experimente nicht.
Nach großem TamTam bin ich dann endlich aus diesem verdammten Autorenvertrag rausgekommen und habe das nächste Buch über bod veröffentlicht. Und: NUR gute Erfahrungen gemacht! Professioneller, schneller und reibungsloser geht es vermutlich kaum irgendwo.
ladyschaft sagte:
Heute erschien noch ein Interview mit „Rico Beutlich“ in der Süddeutschen Zeitung:
http://www.sueddeutsche.de/kultur/837/486255/text/
sunny11178 sagte:
Wow. Aber eigentlich ja auch nichts Neues, dass mit den Träumen der Leute Geld gemacht wird. Krass finde ich aber vor allem, dass selbst dieses offenkundige Fake nicht aufgefallen ist. Aber da gehts wohl nur nach dem Motto: Buchstaben aneinandergereiht = Text = Geld. Traurig, wie weit es schon gekommen ist.
Die bod-Idee finde ich auch toll. Ich kenne das vor allem aus dem wissenschaftlichen Bereich, wo man ja veröffentlichen muss und auch immer gut dafür bezahlt. Da ist das sehr praktisch…
LG Sunny
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